Lukas

Handwerker:innen und Gewerbetreibende sind für ein Kiez unerlässlich. Mal kurz zum Schuhmacher, um die Schuhe reparieren zu lassen oder den Autositz im Geschäft nebenan flicken lassen? Dies ist nur mit Handwerker:innen möglich. Umso besser ist es, wenn sie ganz auf der Nähe sind. Und damit auch jeder die verschiedenen Gewerke auf der Insel kennenlernen und entdecken kann, möchte ich dir das Format INSEL-Gewerbe vorstellen. Hierfür bin ich bei verschiedenen Handwerker:inner gewesen, um sie nach ihrem Werdegang, ihrem Aufgabenfeld und dem Thema Nachwuchs zu befragen. Das Interview mit Samuel findest du hier in voller Länge. Für die Displays habe ich folgende Collage erstellt.

Interview Polsterei Samuel:

Wie sind Sie zu Ihrem Handwerk gekommen?

Ich wollte schon immer Handwerker werden. Angefangen habe ich als Mechaniker, das war allerdings nicht meins, da man immer dreckig war. Dann habe ich mich nochmal umgeschaut und in einer Polsterei Probe gearbeitet und dieses Handwerk erlernt. Das habe ich noch in Kamerun gemacht. Als ich nach Deutschland gekommen bin habe ich erst einmal für fast 10 Jahre als Kampfmittelräumer gearbeitet, dort habe ich alte Munizion entfernt. Dieses Unternehmen, bei dem ich arbeitete, ging dann in eine Insolvenz und ich hatte auch keine Lust mehr draußen tätig zu sein. Deshalb habe ich mich wieder umgeschaut und nach Arbeit in einer Polsterei gesucht. Aber ich war zu der Zeit schon lange aus dem Beruf raus und es gab inzwischen schon viele modernere Werkzeuge. Zudem hatten viele Betriebe kein Interesse an mir, als sie hörten in welchem Land ich mein Handwerk erlernt habe und dachten ich würde nicht mitkommen. Ein Betrieb gab mir dann die Chance für 2 Wochen mein Können unter Beweis zu stellen und nach dem vierten Tag wurde ich schon frühzeitig eingestellt. Die großen und modernen Maschinen waren zwar erst ungewohnt, aber ich bin an das Erlernen nicht mit Angst, sondern mit Respekt heran gegangen und konnte schnell aufholen. Auch war ich von der Schnelligkeit sehr begeistert, die man bei der Arbeit mit den modernen Maschinen erreichen konnte. In Kamerun musste man bei vielen Sachen mit ein und demselben Werkzeug verschieden Arbeitsschritte durchführen und viel improvisieren. Als ich dann gemerkt habe, wie gut ich mitkomme, wie viel ich in kurzer Zeit schaffe, habe ich mich gefragt, warum ich das nicht für mich selbst mache? Da habe ich dann angefangen mich in die Selbstständigkeit zu begeben. Das war im Juni 2020. Ich muss seitdem mindestens 16 Stunden am Tag arbeiten, um das Geschäft aufzubauen. Ungewohnt war dabei definitiv, dass ich im Prinzip erst einmal ohne eigenen Lohn arbeiten musste, um das Geschäft am Laufen zu halten und bekannter zu werden. 

Welche Produkte verarbeiten/reparieren Sie in Ihrem Betrieb?

Wir abrieten mit allem, was mit Polstern zu tun hat, außer Autositze. Also von Couchgarnituren über Sessel, egal ob Stoff oder mit Leder, bis hin zu Booten oder Liegen aus dem Krankenhaus. Das ist sehr vielseitig. Dabei machen wir keine neuen Anfertigungen, sondern erneuern alte Stücke. Das Ganze macht mich auch sehr zufrieden, da wir so dem Wegschmeißen von alten Produkten entgegenwirken können und diese wieder schön herrichten können. Wir sind hier im Laden auch Allgemein sehr dagegen alte Sachen einfach wegzuschmeißen, sondern upcyceln diese lieber. 

Gibt es nachhaltige Werkstoffe in Ihrem Unternehmen? 

Ja die gibt es. Es gibt sehr viele Naturprodukte, die wir verwenden, die auch sehr oft von Kunden explizit nachgefragt werden. Diese traditionelle Polsterung kann auch nicht jeder und wir sind deshalb froh auch so etwas anbieten zu können. Andererseits verwenden wir, wenn erforderlich, aber auch synthetische Produkte. 

Haben Sie Kunden, die aus dem Mierendorff-Kiez kommen?

Ja ganz viele. Die Nachbarschaft ist eigentlich wie eine zweite Familie, man sieht und grüßt sich jeden Tag und wenn Nachbarn Wünsche haben, bezüglich alter Möbelstücke, kommen Sie gerne zu mir. Viele freuen sich auch, dass ein traditionelles Handwerk eingezogen ist und nicht ein weiteres Restaurant. Ich wurde auch am Anfang sehr herzlich mit Blumen begrüßt und die Nachbarn waren sehr gespannt was hier passiert. Ich bin auch sehr gerne im Kiez und betreibe gerne mein Geschäft hier. 

Wie hat sich das Team zusammengefunden?

Wir sind zu dritt. Ich kannte meinen Kollegen und meine Kollegin aber auch schon vorher, aus der Zeit in meinem Angestelltenverhältnis. Erstmal habe ich allerdings allein angefangen. Als es dann immer mehr wurde habe ich mir dann mit den Beiden Unterstützung dazu geholt. Ich habe auch schon andere Mitarbeiter zum Probearbeiten gehabt, allerdings waren diese oftmals noch nicht weit genug, um mit uns zusammen zu arbeiten und es passte nicht so richtig. Aber mit meinem jetzigen Team bin ich sehr zufrieden und wir verstehen uns einwandfrei. Ich denke wir haben alle einen großen Spaß beim Arbeiten. 

Welche Ziele haben Sie mit dem Unternehmen als auch persönlich? 

Mein Ziel ist es, dass dieses schöne traditionelle Handwerk weitere bestehen bleiben kann. Auch hoffe ich, dass mein Sohn später handwerklich tätig wird. Aber ich werde ihn dazu natürlich nicht zwingen. Vielleicht möchte er ja später diesen Betrieb auch fortführen. Aber ich freu mich auch, wenn jemand anderes das Unternehmen später übernehmen möchte und Kunden glücklich machen kann. Wichtig für mich ist einfach das dieses Gewerbe nicht ausstirbt. 

Welche positiven Eindrücke aus Ihrem Alltag können Sie jungen Menschen, die überlegen diesen handwerksberuf zu erlernen, mit auf den Weg geben?

Zuerst einmal kann man damit dem Entsorgen von alten Möbelstücken entgegenwirken und so gut seinen Teil zur Nachhaltigkeit beitragen. Was mir auch immer wieder eine große Freude bereitet, ist zu sehen wie man die Wünsche der Kunden erfüllen, wenn nicht sogar übertreffen konnte und diese überglücklich sind. Ohne dabei Worte verwenden zu müssen und nur mit einem Handwerksprodukt überzeugen zu können. Das ist Kunst für mich. Dieser Moment, in dem ein Kunde hin und weg ist, bei der Übergabe, ist unbezahlbar. Auch die Vielseitigkeit und Kreativität bei der Überarbeitung von alten Möbelstücken ist jeden Tag aufs Neue sehr motivierend. Es gibt immer wieder neue Herausforderungen, die den Beruf so spannend machen.